Äpfellese
Das ist ein reicher Segen
in Gärten und an Wegen!
Die Bäume brechen fast.
Wie voll doch alles hänget!
Wie lieblich schwebt und pranget
der Äpfel gold'ne Last.
Jetzt auf den Baum gestiegen!
Lasst uns die Zweige biegen,
dass jeder pflücken kann.
Wie hoch die Äpfel hangen,
wir holen sie mit Stangen
und Haken all' heran.
Und ist das Werk vollendet,
so wird auch uns gespendet
ein Lohn für unsern Fleiß.
Dann zieh'n wir fort und bringen
die Äpfel heim und singen
dem Herbste Lob und Preis.
Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874)
Herbst
Nun lass den Sommer gehen.
Lass Sturm und Winde wehen.
Bleibt diese Rose mein,
wie könnt' ich traurig sein.
Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)
Schon ins Land der Pyramiden
floh'n die Störche übers Meer.
Schwalbenflug ist längst geschieden,
auch die Lerche singt nicht mehr.
Seufzend in geheimer Klage
streift der Wind das letzte Grün;
und die süßen Sommertage,
ach, sie sind dahin, dahin!
Nebel hat den Wald verschlungen,
der dein stilles Glück geseh'n;
ganz in Duft und Dämmerungen
will die schöne Welt vergeh'n.
Nur noch einmal bricht die Sonne
unaufhaltsam durch den Duft,
und ein Strahl der alten Wonne
rieselt über Tal und Kluft.
Und es leuchten Wald und Heide,
dass man sicher glauben mag,
hinter allem Winterleide
lieg' ein ferner Frühlingstag.
Theodor Storm (1817 - 1888)
Herbstbild
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah,
die Luft ist still, als atmete man kaum,
und dennoch fallen raschelnd fern und nah
die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
Oh, stört sie nicht, die Feier der Natur,
dies ist die Lese, die sie selber hält,
denn heute löst sich von den Zweigen nur,
was von dem milden Strahl der Sonne fällt.
Friedrich Hebbel (1813 - 1863)
Im Herbst
Der schöne Sommer ging von hinnen,
der Herbst, der reiche zog ins Land.
Nun weben all die guten Spinnen
so manches feine Festgewand.
Sie weben zu des Tages Feier
mit kunstgeübtem Hinterbein
ganz allerliebste Elfenschleier
als Schmuck für Wiese, Flur und Hain.
Ja, tausend Silberfäden geben
dem Winde sie zum leichten Spiel.
Sie ziehen sanft dahin und schweben
ans unbewusst bestimmte Ziel.
Sie ziehen in das Wunderländchen,
wo Liebe scheu im Anbeginn,
und leis verknüpft ein zartes Bändchen
den Schäfer mit der Schäferin.
Wilhelm Busch (1832 - 1908)
Septembermorgen
Im Nebel ruhet noch die Welt,
noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
den blauen Himmel unverstell,
herbstkräftig die gedämpfte Welt
in warmen Golde fließen.
Eduard Mörike (1804 - 1875)
Novembertag
Nebel hängt wie Raum ums Haus,
drängt die Welt nach innen;
ohne Not geht niemand aus;
alles fällt in Sinnen.
Leiser wird die Hand, der Mund,
stiller die Gebärde.
Heimlich, wie auf Meeresgrund,
träumen Mensch und Erde.
Chrsitian Morgenstern (1871 - 1914)